Impuls für den Alltag: "An Brücken bauen"

Erstellt von cm/tur |

Dekanin Christiane Murner überlegt, was Nächstenliebe im konkreten Ehe- und Beziehungsalltag bedeuten kann.

Marion tut alles für ihren Mann: Sie hat drei Kilo abgenommen, sich neue Klamotten gekauft, die Haare blondiert. Jetzt geht sie regelmäßig joggen, um ihre alte Kondition wieder zu gewinnen. Der Vorwurf ihres Mannes hat gesessen: „Früher warst du immer so voller Energie, so optimistisch, hast dich gefreut, wenn ich nach Hause kam. Und jetzt nörgelst du nur an mir herum. Klar, sind die Kinder anstrengend. Aber wenn ich vom Büro nach Hause komme, nimmst du mich gar nicht mehr wahr.“ In Marion kreisen die Gedanken: „Franz hat Recht, ich habe mich gehen lassen. Ich kenne mich selbst nicht wieder. Der Stress um unsere drei Kinder hat mich in den letzten eineinhalb Jahren regelrecht ausgesaugt. Ich bin unzufrieden, weil mich mein Beruf, der Haushalt und die Kinder echt fordern. Aber ich will meine Ehe nicht verlieren. Ich muss mein inneres Gleichgewicht wiederfinden und neu auf ihn zugehen.“

Während Marion mit sich selbst hadert und an sich arbeitet, spüre ich Wut in mir aufsteigen. Ich möchte sie verteidigen: „Dein Mann hat dich über weite Strecken mit den Kindern allein gelassen. Dabei wolltet ihr doch beide die Kinder. Wenn er dich mehr entlastet hätte, wärst du nicht so ausgebrannt.“  Marion hört mir nur mit einem halben Ohr zu, dann schüttelt sie energisch den Kopf: „Ich liebe ihn immer noch. Ich will um unsere Liebe kämpfen.“ Die letzten zwei Jahre der Pandemie haben Paaren und Familien viel abverlangt. Und wenn man den Untersuchungen glauben darf, sind vor allem viele junge Familien mit Kindern und Ehepaare unter Druck geraten. Es wird schwieriger ist, die Aufgaben des Alltags zu bewältigen, weil die politische Großwetterlage bedrückend ist, weil sich die sozialen Kontakte reduziert haben, und sich der Fokus der Paare öfter als früher aufeinander verengt.

Jesus sagt: „Liebe deinen Nächsten, wie dich selbst.“ Ich soll mich lieben lernen, anstatt an meiner Selbstoptimierung zu arbeiten. Dazu gehört auch meine Schwächen anzunehmen. Meine Partnerin und meinen Partner kann ich dann vielleicht auch besser verstehen und lieben.

Ein Sprichwort sagt: „Die Ehe ist wie eine Brücke. Sie muss von beiden Seiten jeden Tag neu gebaut werden.“ Und: woran bauen Sie gerade?

Dekanin Christiane Murner

Zurück