Pfarrer Martin Hermann Foto: Amthor
Pfarrer Martin Hermann Foto: Amthor

Der Karfreitag lädt zur Besinnung über unser Leben ein.

Pfarrer Martin Hermann teilt seine Gedanken zum Karfreitag. 

Man lernt nie aus: Bei einer Umfrage zur Bedeutung des Karfreitags, sagte jemand, die Silbe „Kar-“ käme vom englischen Wort „car“ für Auto, weil am „Car-Freitag“ so viele mit dem Auto unterwegs seien. Darüber kann man schmunzeln oder traurig den Kopf schütteln. 

Mich machen solche Aussagen nachdenklich, weil sie mittlerweile keine Ausnahmen mehr sind. Fernsehsendungen wie Wer wird Millionär? zeigen, dass selbst kluge Köpfe bei einfachsten Glaubensfragen ins Stottern kommen. 

Wer eine Antwort auf Karfreitag haben will, muss bereit sein, in die Tiefe zu gehen. In die Tiefe menschlichen Leidens und Sterbens. Das altdeutsche Wort „Kar“ bedeutet „Leid“ oder „Wehklage“ und steht in Erinnerung an das, was man Jesus angetan hat.  Der Karfreitag ist zugleich der Höhepunkt der Karwoche, die mit dem Einzug Jesu nach Jerusalem am Palmsonntag beginnt. Die anfänglichen „Hosianna“-Rufe der Menschenmenge schlagen sehr bald um in die fürchterliche Aufforderung „Kreuzigt ihn.“  Jesus war für die religiösen und weltlichen Machthaber ein Dauer-Ärgernis und musste beseitigt werden.

Der Gekreuzigte auf dem Hügel Golgatha vor den Toren Jerusalems: Er steht im Zentrum dieses besonderen Tages. Ein anstößiges Geschehen. Wer kann das schon verstehen? Warum musste Jesus, der so vielen Gutes getan hat, diesen schrecklichen Tod sterben? 

Im Neuen Testament gibt es dazu mehrere Deutungsmuster. Hilfreich ist ein Blick in die religiösen Gepflogenheiten jener Zeit in Israel: Ein stellvertretendes Tier-Opfer diente der Versöhnung zwischen Gott und dem Volk Israel. 
Dieses „Opfer-Motiv“ wurde von den frühen Christen auf Jesus gedeutet: Jesus als Opferlamm. Jesus ist am Kreuz stellvertretend für alle Verfehlungen und Sünden von uns Menschen gestorben. 

Und: Dass am Kreuz wirklich Versöhnung zwischen Gott und Mensch geschehen ist, ein für allemal. Nicht weil Gott versöhnt werden musste, sondern weil wir diese Versöhnung brauchen. Weil wir im Alltag oft nicht so leben, wie wir sollten. Weil wir immer wieder schuldig aneinander werden durch unser Tun oder Unterlassen. 

Die Versöhnung von Jesus ist universal und definitiv: Sie kommt allen Menschen zugute, die an Jesus glauben.
Wer sich mit Karfreitag befasst, begibt sich in die Tiefe. Tiefen gehören zum menschlichen Leben. Sie wollen und müssen durchlitten werden. Fragen nach dem Leid, Fragen nach lebensbedrohender Krankheit, Fragen nach mancher Ungerechtigkeit: Vieles bleibt offen. Vorschnelle Antworten helfen nicht weiter. 

Aber seit Karfreitag können und dürfen auch solche Fragen dem Gekreuzigten hingelegt werden. Weil Jesus selbst solche Tiefen durchlitten hat und seither allen Menschen nahe ist, die Schweres durchmachen. 

Darin liegt wohl auch das Geheimnis, warum viele Menschen die Karfreitagsgottesdienste als Mut machend und tröstend erleben. 
Der Karfreitag ist also definitiv kein „Car-Freitag“, um sich in den vorösterlichen Urlaubsverkehr auf der Autobahn einzureihen. 
Vielmehr lädt dieser Tag zur Besinnung über unser Leben ein. Von der Oberflächlichkeit des Alltags in die Tiefe zu gehen und dem Geheimnis nachzuspüren, dass im Johannesevangelium so beschrieben wird: „Denn so sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzig geborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren gehen, sondern das ewige Leben haben.“

Ihr Pfarrer Martin Hermann
 

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